Viele Autisten haben Schwierigkeiten beim Schreibenlernen. Hier gebe ich Tipps zu Lernmaterialien, Lernumfeld, Papier und Stiften
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Mein autistischer Sohn hat vor allem beim Schreibenlernen viele Probleme. Das fängt bei starken Konzentrationsproblemen an und reicht bis zu sensorischen Schwierigkeiten beim Schreiben selbst. Viele Autisten haben beim Schreiben und Lesen mehr Schwierigkeiten als beim Rechnen. Zwar haben autistische Kinder generell die Fähigkeit, Muster und Details besser wahrzunehmen. Jedoch erschweren die häufig vorkommenden Kommunikationsschwierigkeiten und eine verzögerte oder eingeschränkte Sprachentwicklung sowie Schwierigkeiten mit der Feinmotorik in der Praxis manchmal den Zugang zu Buchstaben und Wörtern.
In diesem Artikel habe ich unsere Ansätze und Ideen im Umgang mit unserem Sohn zu dem Thema Schreibenlernen für Autisten zusammengefasst.
Mein Sohn lässt sich gerne und schnell von bunten und sensorisch interessanten Objekten in seiner Umgebung ablenken, vor allem wenn er eine Tätigkeit ausführen soll, die ihm schwer fällt oder auf die er sich einfach nicht konzentrieren kann. Deswegen hat ein einen sehr kleinen Tisch in ca 1x0,5m Größe. Dieser Tisch ist sehr tief, so dass er keinen Stuhl braucht sondern auf dem Boden davor sitzt. Normal auf einem Stuhl zu sitzen macht ihm in jeder Situation keinen Spaß, was vor allem beim Essen oft schwierig ist. Deshalb haben wir es mit dem tiefen Tisch ausprobiert und er kommt viel besser damit zurecht.
Dieser Tisch steht in einer Ecke des Raums und er ist vollkommen leer. Wir haben extra eine Tischlampe besorgt, die man an die Wand montieren kann. Wenn er jetzt seine Hausaufgaben machen muss, liegt wirklich nur sein Etui und sein gerade benötigtes Lernheft auf dem Tisch.
Jeder Autist ist anders und als Eltern muss man ausprobieren, was für das eigene Kind der beste Weg ist, aber hier generelle Tipps zum Lernumfeld:
Auch hier muss man wieder ausprobieren, wie das Kind am Besten lernen kann. Unser Sohn kann sich umso besser konzentrieren, je weniger Ablenkungsmöglichkeiten um das eigentliche Lernthema angeboten werden. Zum Beispiel hilft es ihm beim Lesenlernen, wenn auf einem A4 Blatt nur 2-3 Silben stehen und sonst nichts. Keine Bilder von süßen Tierchen oder Farben. Er kann sich so ausschließlich auf die Silben konzentrieren und merkt sich die Buchstaben und Silben viel schneller.
Natürlich hat man auch dabei das Problem, dass Autisten mehr/anders wahrnehmen als neurotypische Kinder. So kann die Haptik, also wie sich ein Buch oder Heft anfühlt, der Geruch des Papiers oder die Geräusche beim Umblättern Probleme bereiten, dazu später mehr.
Bei den Lernmaterialien der Schule hat man natürlich keine Wahl auf andere Bücher oder Hefte umzusteigen. Aber man kann dem Kind helfen, indem man zum Beispiel ein flauschiges Handtuch so platziert, dass das Kind den Arm darauf abstützt beim Schreiben. Oder man sucht zusammen einen schönen Duft aus der die schlechten Gerüche des Papiers überdecken kann. Außerdem kann man, um die optischen Reize zu minimieren, ein leeres Papier nehmen, dort ein Fenster hineinschneiden und dieses Fenster immer auf die aktuelle Aufgabe schieben.
Ich habe sogar schon öfters Seiten aus seinem Schulheft abfotografiert, in schwarz/weiss ausgedruckt und die einzelnen Aufgaben auseinander geschnitten, damit er sich auf die aktuelle Aufgabe konzentrieren konnte.
Die aus der Schule angebotenen Lernmaterialien für die Grundschule bieten nicht immer die beste Art zu Lernen für autistische Kinder. Wir haben bei unserem Sohn schnell gelernt, dass er mit der Art wie dort das Lesen und Schreiben Lernen angegangen wird nicht gut zurecht kommt. Also hieß es: Kreativ werden und ausprobieren.
Unserem autistischen Sohn fiel es besonders schwer, einen Zusammenhang zwischen einem verbalen Laut und einer gemalten Form herzustellen. Das hat mit Sicherheit mit seiner verzögerten Sprachentwicklung zu tun.
Buchstaben hat er gar nicht aus Büchern gelernt. Wir haben uns ein Set Buchstaben aus Holz besorgt, jeder Buchstabe ist hier einzeln ausgeschnitten. So konnte er die Buchstaben in die Hand nehmen und deren Form erkunden. Auf diese Weise hat er sich gemerkt, wo spitze Ecken sind, wo schöne Rundungen sind oder welche Buchstaben Löcher haben. Das gab ihm einen ganz anderen Zugang zu den für ihn abstrakten Buchstaben. Später konnten wir dann Buchstaben zusammensetzen und kleine Worte bilden. Oder er hat mit den Buchstaben “geschrieben”, also Buchstaben zu Wörtern herausgesucht und dann zusammengelegt.
Bei gutem Wetter haben wir draußen große Buchstaben auf die Straße gemalt, die er abgehen konnte. So hat er sich wieder Besonderheiten der einzelnen Buchstaben gemerkt, die für ihn als Autisten sehr hilfreich waren.
Das benutzte Papier hat einen großen Einfluss auf die Haptik und das Gefühl des Schreibens.
Folgende Aspekte sind wichtig:
Die Schulmaterialen sind wieder ein Problem, ich habe aber auch schon Seiten aus seinem Schulheft abfotografiert und in Schwarz/Weiss auf das cremefarbene Papier ausgedruckt. So waren die bunten Bilder nicht so ablenkend und er konnte auf seinem Lieblingspapier schreiben.
Wie haben nach vielem Ausprobieren die besten Erfahrungen mit cremefarbenem Papier, mit mindestens 80g/m2 und einer extra feinen Oberfläche gemacht. Bei Schreibheften ist vor allem die Marke Oxford für unseren kleinen Mann ideal.
Zum Abschluss kommen wir noch zum Hauptinstrument beim Schreiben, dem Stift. Dieser soll idealerweise nur als Erweiterung der Hand dienen und dem Schreiben nicht im Weg stehen. Leider können aus der Sicht eines Autisten hier viele Probleme im Detail liegen.
Folgende Schwierigkeiten können für Autisten mit dem falschen Stift aufkommen:
Wie oben aufgezeigt gibt es Unmengen an Faktoren, die das Schreiben Lernen für Autisten erschweren können. Zum Glück sind Papier und Stifte nicht so teuer, so dass man ohne große Investitionen verschiedene Dinge ausprobieren kann. Das lohnt sich auf jeden Fall, da jeder Autist auf seine Weise Einzigartig ist, und man keine pauschale Empfehlung geben kann. Wenn man dann eine optimale Kombination aus Lernumfeld, Lernmaterial, Papier und Stift gefunden hat, fällt es dem autistischen Kind wesentlich einfacher, Buchstaben und deren Formen zu verinnerlichen und Übungen dazu auszuführen.
Denn was wir bei unserem Sohn auch festgestellt habe: Im Bereich Lesen und Schreiben hilft bei ihm nur konstante und regelmäßige Wiederholung.
Diese Tipps können vor allem zu Hause, aber auch in Grenzen in der Schule Anwendung finden. Auf jeden Fall sollte man, wenn man bestimmte Trigger oder Vorlieben des autistischen Kindes heruasgefunden hat, mit der Lehrerin / dem Lehrer sprechen und zusammen überlegen, wie die Situation in der Schule für das Kind verbessert werden kann.